

"Die Grenzen zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus verschwimmen", sagt die österreichische Sprachwissenschaftlerin und Populismusforscherin Ruth Wodak. Es gebe in vielen europäischen Gesellschaften eine "Diskursverschiebung nach Rechts". Wodak warnt vor zunehmender Spaltung: "Eine Bedrohung für die Zukunft der liberalen Demokratie in Europa." Von Ruth Wodak.


"Europa ist Heimat für mich", sagt die vielfach preisgekrönte Illustratorin Nora Krug, die seit über 20 Jahren in New York lebt. Sorge bereitet ihr der wachsende Populismus bei schwindender Einigkeit. "Europa als liberales Paradies zu sehen, wäre naiv. Aber es ist die wichtigste demokratische Alternative. Dieses demokratische Europa müssen wir immer wieder verteidigen, bewahren, neu erkämpfen." Von Nora Krug.


"Ich sehe mich als eine europäische Schriftstellerin", sagt Bestsellerautorin Melanie Raabe - ihre Geschichten spiegeln europäische Themen, sind an europäischen Orten angesiedelt. Europa, das sei für sie allerdings auch eine zwiespältige Angelegenheit: Einerseits die Festung Europa, andererseits das utopische Potential, für das wir wieder mehr Optimismus brauchten. Von Melanie Raabe.


Europa ist eine demokratische Hochburg, aber die Demokratie in Europa ist gefährdet, sagt die ehemalige Leichtathletin Heide Ecker-Rosendahl, mehrfache Olympiasiegerin und Europameisterin. Das bereitet ihr auch deshalb Sorgen, weil es eigentlich mehr Gemeinschaft bräuchte, um zwischen den globalen Machtzentren bestehen zu können. "Europa ist gefordert, mit Zusammenhalt Stärke zu erreichen." Von Heide Ecker-Rosendahl.


"Wir müssen eine andere Offenheit und ein anderes Vertrauen in Europa entwickeln", sagt die Berliner Künstlerin, Publizistin und Dokumentarfilmerin Cordelia Dvorák. Aktuell arbeitet sie an Film- und Buchprojekten zur belarussischen Oppositionsbewegung. "Belarus ist ein kleines Land am Rand - aber diese Bewegung greift ins Herz Europas." Von Cordelia Dvorák.


Dass wir “nach Jahrhunderten des Gemetzels andere Wege des Austauschs gefunden haben“ ist für den Violinisten Michael Barenboim eine zentrale Errungenschaft des europäischen Projekts. Musik spielt dabei eine zentrale Rolle. Als Konzertmeister des Kammerorchesters "West-Eastern-Divan-Projekts" zeigt Michael Barenboim, zeigen Israelis und Palästinenser, was möglich ist, wenn man Grenzen und Vorurteile überwindet. Von Michael Barenboim.


"Europa ist so reichhaltig an kulinarischen Möglichkeiten", schwärmt Léa Linster, die als bislang einzige Frau den berühmten Kochwettbewerb Bocuse d’Or gewonnen hat. Die Luxemburgische Spitzenköchin plädiert dafür, gerade in Krisenzeiten die Esskultur hochzuhalten und europäisch-regionale Spezialitäten konsequent zu schützen: "Wenn wir wissen, wo die Wurzeln sind, ist es auch leichter, wieder ins Lot zu kommen." Von Léa Linster.


"Ich bin etwas desillusioniert, was Europa angeht", sagt die Autorin und Klimaexpertin Elisabeth Weydt. Es gebe zu wenig Bewusstsein, dass der eigene Wohlstand oft auf dem Leid anderer beruhe. Weydt fordert kritische Aufarbeitung und ein Verhältnis auf Augenhöhe zum Globalen Süden. Nur so sei Veränderung mit Blick auf die Klimakrise möglich: "Ich sehe auch die Kraft und die Macht, die von Europa ausgeht. Man hört auf Europa." Von Elisabeth Weydt.


"Im Grunde ist das der gelebte europäische Traum, man lebt ein bisschen in einer Idee", sagt die Österreicherin Ellen Dunne, die seit 2011 in Dublin zu Hause ist, unter vielen "Multinationals", die die Arbeitsmöglichkeiten bei den großen Digitalkonzernen nach Irland gelockt haben. "Europa bedeutet, Grenzen zu überschreiten", meint die Schriftstellerin, und das kennzeichne sowohl ihre Kriminalromane wie auch ihr Leben. Von Ellen Dunne.


"Im Moment habe ich einen sehr sorgenvollen Blick auf Europa", sagt Joybrato Mukherjee, Rektor der Universität zu Köln und Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Europa brauche mehr Einigkeit und Kooperation, um in Zukunft bestehen zu können - und da könne sein Metier Wege in die Zukunft weisen: "Die Wissenschaft belegt ganz deutlich, wie erfolgreich Europa sein kann, wenn man sich noch stärker zusammen tut." Von Joybrato Prof. Mukherjee.


"Ich glaube, dass es uns noch nie so gut ging in Europa - frage mich aber, ob das allen auch so bewusst ist", sagt der Komiker, Moderator und Autor Christian Schulte-Loh. Als "German Comedian" hat er zunächst in England Karriere gemacht, mittlerweile ist er in ganz Europa gefragt: "Ich bin in fast allen europäischen Ländern aufgetreten, und irgendwie fühle ich mich immer zu Hause, nie fehl am Platz." Von Christian Schulte-Loh.


"Europa ist ständig in Bewegung. Ein Prozess. Und deshalb gibt es auch Möglichkeiten, die europäische Zukunft zu gestalten", sagt die deutsch-französische Politikwissenschaftlerin und Militärstrategin Florence Gaub. Sie fordert "Zukunftskultur", auch als Basis einer gemeinschaftlichen EU-Außenpolitik. "Will Europa die Zukunft nicht nur ertragen, sondern auch mitgestalten, muss es seine Rolle darin neu definieren." Von Florence Gaub.


Bei der Aufarbeitung der Kolonialzeit müsste in Deutschland und Europa noch viel mehr geschehen, sagt die Künstlerin, Kuratorin, Autorin und Wissenschaftlerin Natasha A. Kelly. Die Feministin mit britisch-karibischen Wurzeln, Mitbegründerin des Black European Academic Network, fordert mehr Sichtbarkeit für die afroeuropäische Community: "Wir sind eine Brücke zwischen Afrika und Europa." Von Natasha A. Kelly.


"Europa sonnt sich zu unrecht im Gefühl moralischer Überlegenheit", kritisiert der Schriftsteller Ilija Trojanow. Als Friedensprojekt sei die Union allerdings ein historischer Erfolg. Trojanows Utopie von Europa ist die eines post-nationalen Gebildes, in dem sich die Mitgliedsstaaten noch intensiver verbinden: "Wir müssen das Lokale und Regionale stärken in Europa - und gleichzeitig das Nationale schwächen." Von Ilija Trojanow.


"Europa muss sich damit auseinandersetzen, warum die Populisten so erfolgreich sind - für mich hat das vor allem soziale Gründe", sagt der Schauspieler und Regisseur Michael Witte. "In Vielfalt geeint", das Motto der europäischen Union, sieht Witte auch als einen Auftrag, die Errungenschaften des europäischen Projekts zu sichern und zu bewahren - "damit wir nicht eines Tages im Alptraum erwachen in Europa." Von Michael Witte.


"Es braucht Vorreiter für eine erfolgreiche Klimapolitik, Europa könnte diese Rolle noch besser ausfüllen", sagt Niklas Höhne vom NewClimate Institut in Wageningen/Niederlande. Der Physiker plädiert für Allianzen auf Augenhöhe mit Schwellen- und Entwicklungsländern. "Solidarität ist etwas, das Europa ausmacht. Das sollte Bestandteil der Klimapolitik sein - nach innen wie nach außen." Von Niklas Höhne.


"Europa steht für Sicherheit, Demokratie und Kooperation", sagt die ukrainische Publizistin, Verlegerin und Übersetzerin Kateryna Mishchenko. Der Krieg in der Ukraine spiegele Europa, dass all das nicht selbstverständlich ist. Umso wichtiger sei es, sich heute zu verständigen, wie das Europa von morgen aussehen soll: "Europa ist im Moment der einzige Ort, wo ich mir das Utopische noch vorstellen kann." Von Kateryna Mishchenko.


"Wer in Deutschland Comics macht, zeichnet europäisch", sagt der Berliner Künstler, Kurator und Dozent für Storytelling, Kai Pfeiffer. Er sieht den Comic als "europäischen Spiegel", auch mit Blick auf die Geschichtsschreibung, Erinnerungskultur und den Umgang mit den totalitären Systemen der Vergangenheit: "Die Perspektive, die wir haben, ist größer als nur unser eigenes Land." Von Kai Pfeiffer.


"Die politische Großwetterlage beunruhigt mich", sagt die Ethnologin Carola Lentz, Präsidentin des Goethe-Instituts. Damit Europa in dieser Krisenzeit bestehen könne, brauche es eine Kultur des Zuhörens, um auch die speziellen Herausforderungen und Probleme der europäischen Partner besser zu verstehen: "Wenn wir lernen, mehr übereinander zu wissen, dann ist schon sehr viel gewonnen in Europa." Von Carola Prof. Lentz.


"Es wäre gut, wenn ein starkes Europa stärker mit einer Stimme spräche", sagt die Historikerin und Bestsellerautorin Julia Kröhn, die aus Österreich stammt, in Deutschland lebt und sich Europa mehr verbunden fühlt als einem einzelnen Land. Europa ist ein Horizont ihrer historischen Romane, eines ihrer Themen: die Entstehung der Genfer Kinderrechtserklärung 1924. "Wenn Europa ein Hort der Menschenrechte ist, dann muss es auch ein Hort der Kinderrechte sein." Von WDR 5.


"Viele sind überrascht, wie klein Europa aus der Sicht eines Eisenbahnmenschen ist", sagt der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudiš. Er ist ein leidenschaftlicher Bahnreisender und im Grunde permanent in ganz Europa unterwegs: "Das Europäischte, was ich kenne, ist die Eisenbahn, die uns verbindet." Von WDR 5.


Die Bedeutung der EU als Friedensprojekt werde zu leicht vergessen, sagt Kai Sauer, finnischer Botschafter in Berlin. "Europa muss halten, politisch, wirtschaftlich und auch militärisch." Finnland sieht er gut positioniert, wegen der Verteidigungskapazitäten, aber auch wegen einer entsprechenden Einstellung der Bevölkerung. "Diese Verteidigungsmentalität ist in Europa nicht selbstverständlich." Von Kai Sauer.


Ein friedliches Europa war eine Vision des Komponisten Ludwig van Beethoven. Die Europahymne ist eine Instrumentalfassung seiner “Ode an die Freude“. "Beethoven wollte die Welt zum Besseren verändern", sagt Dirk Kaftan, Generalmusikdirektor des Bonner Beethoven-Orchesters, und so verstehe er auch seinen Arbeitsauftrag: “Mit Kultur das gegenseitige Vertrauen stärken.“ Von WDR5.


"Da werde ich als Europäerin wahrgenommen, weniger als Deutsche", sagt die ehemalige Verfassungsrichterin Susanne Baer über ihre Forschung in globalen Kontexten. "Europa ist ein Ort, an dem das Recht nicht Mittel zum Zweck ist." Das habe, bei allem, was man auch kritisieren könne, eine globale Strahlkraft: "Das ist ungeheuer wichtig in der Welt, in der wir jetzt leben." Von Susanne Baer.


"Unsere freiheitliche Ordnung ist einem massiven Angriff ausgesetzt - und Europa dazu", sagt Gerhart Baum angesichts der Erfolge rechtspopulistischer Parteien. Die Europäische Union sieht der ehemalige Bundesinnenminister (FDP) und Menschenrechtsanwalt von innen und außen unter Druck; sie müsse stärker werden, um bestehen zu können. "Die europäische Einigung ist ein Erfolgsmodell, aber nur dann, wenn es kraftvoll weiterentwickelt wird." Von Gerhart Baum.


Die Revolutionen von 1848 sollten neu bewertet werden, denn sie waren zutiefst europäische Ereignisse, sagt der australisch-britische Historiker Christopher Clark. "Wir sollten uns klar machen, wie europäisch die Menschen damals empfunden haben, mehr als heute." Daraus sei auch für die Gegenwart zu lernen: "Auch heute muss man wieder gegen den Strich der Nationalstaaten denken, dabei kann uns 1848 helfen." Von Christopher Clark.


"Die Wohlfühlgesellschaft ist Vergangenheit." Zu viele Krisenphänomene wurden zu lange verdrängt, sagt der Jurist, Philosoph und Publizist Michel Friedman. "Wenn wir uns in diesem Jahrzehnt den Problemen nicht aktiv stellen, können Deutschland und Europa zur Bedeutungslosigkeit verkümmern." Von Michel Friedman.


"Europa ist immer auch eine Projektion" sagt die österreichische Schriftstellerin und Künstlerin Teresa Präauer, "ein Möglichkeitsraum, bei dem auch die Wünsche und Erwartungen eine wichtige Rolle spielen". Was genau die europäische Idee ausmacht, das könne sich also auch ändern. Ihr aktueller Roman "Kochen im falschen Jahrhundert" , so die Autorin, erzähle auch von einer "europäischen Geschmackssozialisation." Von Theresa Präauer.


Charles M. Huber, Schauspieler und Publizist, der im Senegal und in Deutschland gleichermaßen zu Hause ist, kritisiert die europäische Haltung gegenüber Afrika, die von Arroganz und Strukturen aus der Kolonialzeit geprägt sei. Von WDR5.


Der Mauerfall war für den Schweizer Juristen und Schriftsteller Oliver Diggelmann der entscheidende europäische Moment, auch mit Blick auf seinen Berufseinstieg als Staats- und Völkerrechtler. Die demokratischen Strukturen seien inzwischen zu kompliziert, auch sprachlich. "Entlastung durch Klarheit - Identifikation mit dem Diffusen ist schwierig." Von Oliver Diggelmann.